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1. 8 Phasen des Herrschaftsaufbaus (Modell für Amerika/45+) Es beginnt mit der Terrainerkundung (1) und endet mit dem Aufbau eines kompletten kolonialen Herrschaftsapparates (8). Dieses Modell paßt am ehesten für einige Teile Amerikas. Es paßt (z.B.) nicht:
- Für den blitzartigen Angriff auf und die sofortige Vernichtung des Aztekenreichs.
- Wenn ihnen wehrhafte Herrscher gegenüberstanden (z.B. mitunter in Asien).
- Wenn eine Beschränkung auf Handel opportun zu sein schien.
- Wenn Klima/Tropenkrankheiten dagegensprachen (z.B. in Madagaskar).
- Wenn sie auf Duldung durch einheimische Machthaber angewiesen waren (z.B. auf Taiwan).
2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen spanisch-katholischer und neuenglisch-puritanischer
Herrschaftsausübung: Letztere war (theoretisch) die strukturell gewaltsamere, weil sie miteinander verband: Landhunger, Desinteresse der Siedler an einheimischen Arbeitskräften, Indifferenz der Behörden an nicht besteuerbaren Untertanen und theologische Einteilung in Auserwählte (sie selbst) und verdammte „Wilde“, wobei die Indios für nicht christianisierbar oder zivilisierbar gehalten wurden. Erstere wollten immerhin die Arbeitskraft der Ur-Bewohner des Landes nutzen. Unsägliche Verbrechen vom Kleinen (Faustrecht) bis zum Großen, bis hin zum Völkermord, verbanden beide.
3. Es macht Sinn, einige Eroberungstypologien zu unterscheiden: 48: 1: Überrollen und zerstören (Aztekenreich). 2: Langsame Infiltration (Maya-Gebiete). 3: Gelegenheiten-ergreifende „punktuelle“ Vorgehensweisen (Einschalten in Stammeskriege/Deutschland 1887+ in Ostafrika). 4: Schnelle Eroberungen mit dem „Nachschlag“ von langwierigen Guerillakriegen (Frankreich in Madagaskar 1895+). 5. Punktuelle Militär-Operationen, die sich ungeahnt ausweiteten (Algier/1830). 6. Genozidaler Ansatz (Deutsche in SW-Afrika).
4. In den Kolonialkriegen überwogen die Siege der Kolonialisten, aber Niederlagen gab es auch (z.B. in Afghanistan, Taiwan, Sudan) – im 20. Jahrhundert begannen sich die Niederlagen zu häufen. Kriegsformate: Die meisten waren kleine Kriege, aber es gab auch große wie in Indien, Algerien, Mussolini in Äthiopien.
5. Europa war ein klassischer Kriegskontinent – aber es wurde gleichzeitig auch viel von Menschenrechten und dergleichen geredet. Die Kriegsrealität in den Kolonien war mit der in den Metropolen nicht zu vergleichen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde besonders im angelsächsischen Raum die Ideologie des Sozialdarwinismus ein politisches Schwergewicht: Sie wurde als Verdrängungswettbewerb verstanden, in dem nur die „Fittesten“ überlebten.
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1. Das Widerstands-Korpus gilt es überhaupt zu identifizieren. Niemand verstand sich im 18. Jahrhundert als „Inder“, kaum jemand im 19. Jahrhundert als „Afrikaner“. Erst im 20. Jahrhundert nahm so etwas wie „nation building“ mehr Fahrt auf.
2. Oft wurden die Europäer zuerst in den vorhandenen „Fremden-Modus“ eingestuft, ihr besonders Gefährliches nicht immer sofort erkannt.
3. Das breite Spektrum von Anpassung bis Widerstand – mit vielen Mischformen, Wechseln – im Überblick:
01 Primärer Widerstand: Totalverweigerer wie auch Abwanderer sind hier einzureihen. Der Zeitpunkt von Widerstandsaktionen war oft kaum vorhersehbar. Das Ziel konnte restaurativ oder auch eine neue Synthese sein.
02 Widerstand auf der Grundlage der kolonialen Ordnung: Es entstanden oft neue Bildungseliten, die die Sprache der Kolonialisten sprachen und diese (partiell) zu einem kritischen Medium umfunktionieren konnten.
03 Bewegungen mit dem Ziel nationaler und staatlicher Unabhängigkeit mit 2 Grundtypen: I) Die der europäisch-stämmigen Kolonialeliten seit den 1770er-Jahren II) Im 20. Jahrhundert dominierten die Bewegungen in Asien und Afrika, kulminierend ab 1945.
04 Sonderfälle: Auch Europäer konnten global zu den Aufbegehrenden gehören. Die Zerschneidung des indischen Subkontinents 1947 in Indien und Pakistan war ein einmaliger Vorgang in der Weltgeschichte. Die koloniale Unterwerfung Chinas war so wie in Indien nicht machbar.
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1. Die proportionale Größe von Kolonialbürokratien im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung konnte massiv variieren: Mitte der 30er-Jahre (des 20. Jahrhunderts) war diese Größe in Indien 1:28 000, in Französisch-Westafrika ähnlich, in Nigeria gar 1:54 000, in Korea aber, was japanische Beamte betrifft, 1:420. Offenbar wurde in diesem Fall auf Kollaboration in hohem Maße verzichtet.
2. Die Kolonialherrschaft beruhte auf einem spezifischen Mix von 5 Faktoren: 01 Gewalt(androhung) 02 Übernahme traditioneller Herrscherrollen 03 Kommunikationsimperialismus 04 divide et impera 05 Interessen-anbindung/-überschneidung/-konvergenz.
3. Der Begriff „Kollaboration“ (Zusammenarbeit) wurde besonders seit dem WW2 stark verengt und (nicht ohne gute Gründe im engeren Kontext als Verratsbewußtsein) extrem negativ aufgeladen; das hat aber den Blick auf das breitere konkrete Spektrum verdeckt, für welches er eigentlich stehen sollte (und gestanden hat).
4. Kollaboration in a. einem Klientel- und b. in einem Herrschafts-verhältnis: Das erstere ist eine durchaus verbreitete Form, die Vorteile hat wie billig und verantwortungsfrei zu sein; sie ähnelt dem „Informal Empire“. Die Adressaten sind zwar semi-autonom, aber man kann sie gut manipulieren. Diese Mittelsmänner können ihren Fuß in mehreren Lagern haben. Der völlig diskreditierte Kollaborateur war wertlos.
5. Aufgaben für die „Kollaborateure“ waren etwa, Arbeitskräfte zu mobilisieren, Steuern einzutreiben, Landabtretungen sowie militärische Dienste zu organisieren.
6. 3 koloniale Regimetypen: 01 Nur die alte Spitze wird gekappt, auf die grundbesitzende Oberschicht wird zurückgegriffen. 02 Die ganze alte herrschende Klasse hat Widerstand geleistet, z.B. in Vietnam: Dann wird von unten, z.B. per neu-missionierte Katholiken neu aufzubauen versucht. 03 Nicht selten ergaben sich für die Kolonisten keine belastbaren Anknüpfungspunkte, dann mußten sie „from scratch“ sich was Neues einfallen lassen.
(27.8.25)
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