III. Epochen des Kolonialismus (S. 28-45) (II)

3) 1520 – 1975: 6 Schlüsselperioden (S. 33-47):

Dieses Unter-Kapitel fängt mit einem Intro an, in dem die großen Schwierigkeiten eines Periodisierungsunterfangens angesprochen werden; der Schwerpunkt liegt in den ersten 5 Perioden auf kolonialen Neubildungsphasen, Periode 6 thematisiert die Dekolonisation: Hier eine Übersicht anhand der jeweiligen Unter-Überschriften.

(1) 1520 – 1570: Aufbau des spanischen Kolonialsystems (35+)

(2) 1630 – 1680: Grundlegung der karibischen Plantagenökonomie (37+)

(3) 1760 – 1830: Anfänge europäischer Territorialherrschaft in Asien (38++)

(4) 1880 – 1900: Neue Koloniebildungen in der Alten Welt (40++)

(5) 1900 – 1930: Entfaltung der kolonialen Exportökonomien (42++)

(6) 1945 – 1975: Dekolonisation (45++)

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Beginnend in den 1490er-Jahren: Simultane unvorhersehbare Aufgabelung in ein „Handelsprojekt“ im Indischen Ozean und ein „Eroberungsprojekt“ in Amerika.

Typus des kolonialen Kaufmannskriegers, der auf hochbordigen und mit Pulver-basierten Geschützen ausgestatteten Schiffen unterwegs war und unterlegene Flottenverbände massakrieren konnte und ein Netz von mehr punktuellen Küstenstützpunkten aufbaute und befestigte.

Während der mehr als 250 Jahre nach Vasco da Gamas Ankunft an der indischen Malabarküste (1498) gab es in Asien keine europäische Kolonialherrschaft über größere einheimische Populationen.

In Amerika wie in Asien wurden sehr effektive koloniale bürokratische Strukturen geschaffen, um die großen neuartigen Herausforderungen zu meistern. Sie sprengten zuvorige Größenordnungen.

Spanisch-Amerika: Verrechtlichte Herrschaftspraxis, Regierung durch Papier. In ihren Grundzügen vor 1570 geschaffene Herrschaftsstrukturen hatten mehr als 200 Jahre Bestand.

Indischer Ozean: Ostindien-Kompanien.

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Nach der Kreation der spanischen Kolonialadministration im 16. Jahrhundert wurde die Plantagenökonomie die zweite Kreation – im 17. Jahrhundert. Beispiel Nr. 1 ist die Zuckerproduktion, die schließlich in großbetrieblicher Warenproduktion von aus Afrika importierten Sklaven vollführt und für internationale Handelsstrukturen betrieben wurde. Die ansässige Bevölkerung wurde vertrieben oder getötet und es wurden zuerst (bis 1700) Hunderttausende, im 18. Jahrhundert Millionen Afrikaner zwangsweise in die Karibik (und nach Brasilien) eingeschifft. Briten, Franzosen und Niederländer verdrängten die Spanier, die sich schließlich nur auf Kuba halten konnten. Der generierte Reichtum war exorbitant. Die amerikanische Sklavenplantage war die effizienteste Form großbetrieblicher Warenproduktion vor dem Fabriksystem der industriellen Revolution. Der weltgeschichtliche Schwerpunkt des Kolonialismus lag zwischen 1650 und 1800 in „Westindien“.

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1. Ein neues Level von Dramatik in der Geschichte: Gefühlt: Was früher Jahrhunderte dauerte, lief jetzt in Jahrzehnten ab.

2. Die koloniale europäische Welt muß erhebliche Gegenangriffe einstecken: Die (spätere) USA schüttelt die britische Kolonialherrschaft schnell, Kanada „in Zeitlupe“ ab. Europäische lateinamerikanische Kolonialeliten erklären reihenweise ihre Unabhängigkeit von Spanien. Eine Sklavenrevolution führt 1804 zur Gründung des Staates Haiti. Das Sklavereiregime an sich wird von jetzt an teilweise zurückgedrängt. Die kolonialen Hauptverlierer sind Spanien und Frankreich (wo es seine Position in Kanada, Teilen der USA und in Indien ganz oder teilweise verliert).

3. Aus dem Wettlauf mit Frankreich während des „2. Zeitalters der Entdeckungen“ geht allein das UK mit nennenswerten Territorialgewinnen hervor (Australien/1788+, Neuseeland/1840+). GB profitiert dabei vom Aufbau eines „fiskal-militärischen Staates„, erst danach auch noch von der industriellen Revolution.

4. Die wichtigste koloniale Neubildung der Epoche war der Ausbau der britischen Position in Indien. Indien kam für hochfliegende koloniale Pläne (im Unterschied zu China) vor allem deswegen in Frage, weil da Hunderte von Klein(st)staaten eine Rolle spielten (die bis 1947 bestehen blieben), die alleine es nicht mit der britischen Kolonialmacht aufnehmen konnten. Trotzdem setzten die Briten zuerst in Indien weder eine Eroberungs- geschweige eine Missionierungs-politik um. Schon seit langer Zeit war die East India Company (EIC) (1600-1874) dort mit wachsenden Ambitionen unterwegs. Dieser „Alien“ war ein Mischprodukt mit handelspolitischen, militärischen, steuerlichen, rechtlichen und verwalterisch-bürokratischen sowie „reformerischen“ (Demokratie-freien) Ingredienzien.

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1. Im Zeitraum 1830 – 1880 wurden im Zeichen des „Freihandelsimperialismus“ zahlreiche neue koloniale Schauplätze in Ost-, Südost- und West-asien aufgemacht oder vertieft, generell wurde versucht, alles enger in die Weltwirtschaft einzubinden; es gab auch Ausnahmen – wie die Karibik, deren „Kolonialrating“ stark absackte.

2. Kolonialgeschichtlich war der maßgebliche Vorgang der letzten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts die „Aufteilung Afrikas“ (in Abstimmung zwischen den Kolonialmächten) gewesen, ein einzigartiger Vorgang der zeitlich konzentrierten Enteignung eines Kontinents. Damals wurden oft die Grenzen gezogen, die bis heute Bestand haben – obwohl: Nicht selten wurde dadurch Zusammengehöriges getrennt, öfter aber noch Tausende politische Einheiten rücksichtslos auf wenige reduziert. Es gab natürlich auch viele andere Fälle, wo es gewissermaßen um so etwas wie „Proto-Nationalstaaten“ ging.

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1. In den 20er-Jahren erreichte die koloniale Welt das Maximum ihrer Ausdehnung (ca. die Hälfte der territorialen Erdoberfläche). Einer der Verlierer von WW1, das Deutsche Reich, hatte nicht dazu beigetragen: Seine Kolonien wechselten nur den kolonialen Herrn. Das Osmanische Reich hatte stark dazu beigetragen: Große Gebiete gelangten unter die „Mandatsherrschaft“ von Briten oder Franzosen (nur Ägypten konnte sich verbessern). Das war eine Verschlechterung gegenüber dem osmanischen Vorzustand, der nur leichter auf den betroffenen Völkern gelastet hatte.

2. Unter der Ägide des neu gegründeten „Völkerbunds“ gab es ernsthaft eine Benevolenzrhetorik folgender Art: Wir müssen die „unmündigen“ Völker erst für die Unabhängigkeit erziehen. Der Vorstoß des „nicht-weißen“ Japans, eine Klausel über rassische Gleichberechtigung in die Völkerbundsatzung aufzunehmen, scheiterte (Japan selber enthielt sich aber in Asien rassistischer Töne keineswegs besonders).

3. Ein Ende des kolonialen Systems war für die meisten Politiker und die eifriger denn je mit Empire-Propaganda traktierte Bevölkerung unvorstellbar.

4. Ökonomie: Die infrastrukturelle Erschließung wurde vielerorts vorangetrieben (z.B. Landstraßenbau). Big Business war an besonders lukrativen Orten sehr aktiv (z.B. Erdölproduktion im Irak, Gold- und Diamanten-geschäft in Südafrika). Die Weltwirtschaftskrise (30er-Jahre) machte den kolonialen Exportökonomien den Grad ihrer globalen Abhängigkeiten drastisch bewußt.

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1. Das ist der Titel des Folgebands – an dieser Stelle kann es nur einen kleinen Vorgeschmack geben.

2. Wenngleich die Kolonialisten ihre kolonialistische Prägung nach 1945 nicht aufgegeben hatten, stand die Zeit nach 1945 (in erster Linie) nicht im Zeichen kolonialer Neuprägungen sondern in dem der Dekolonisation. Hier lassen sich 3 Wellen unterscheiden. 1: 1776-1825: Die nationale Emanzipation der meisten europäischen Besitzungen in der Neuen Welt. 2: 1839+: Die Transformation von Kanada, Australien und Neuseeland in „Dominions“ innerhalb des British Empire verbunden mit dem Freiheitsausmaß, „das sie wünschten“. Dieser Prozeß wurde mit dem Westminster-Statut 1931 abgeschlossen. 3: Die 3. Phase könnte man mit „home rule“ in Irland 1922 beginnen lassen, aber sie war sehr vielschichtig – mit Variationen im zweistelligen Bereich – und reichte bis (mindestens) Mitte der 70er-Jahre, läßt sich (daher) nicht in einem Satz zusammenfassen – zudem gibt es tiefe Prägungen, die das formale Ende überdauerten.

3. Viele Zeitgenossen haben sich diesem Prozeß (der im Nachhinein wie das Purzeln von Dominos erscheint) verweigert und es vorgezogen, weiterhin in einem prokolonialistischen „Welt „Überbau“ zu leben.

4. Es kam auch der Ansatz eines „Entwicklungskolonialismus“ auf, von dem sozusagen beide Seiten aktiv profitieren sollten; aber viel Positives ist dabei nicht herausgekommen.

(4.8.25) (15.8.25)


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